Trauerrede
Dr. Berta Maria Denzler, geb. Popp
Richterin am Amtsgericht München a.D.
* 6. Mai 1916 † 25. Dezember 2020
Lukasevangelium 2,21-35 "Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, bevor das Kind im Mutterleib empfangen war. Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden. Auch wollten sie ihr Opfer darbringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben. Und siehe, in Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Dieser Mann war gerecht und fromm und wartete auf den Trost Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe. Er wurde vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten: Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel. Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segnete sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Siehe, dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele zu Fall kommen und aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird, - und deine Seele wird ein Schwert durchdringen. So sollen die Gedanken vieler Herzen offenbar werden."
Liebe Schwestern und Brüder! Als die Gemeinde in der Kirche Weihnachten feierte, verbrachte der Enkel mit seiner Frau und die Pflegekraft Esther die letzten Stunden mit unserer lieben Frau Dr. Denzler. Zu Weihnachten haben wir viele Weihnachtslichter entzündet, doch Bertas Lebenslicht ist am Abend des 25. Dezembers 2020 erloschen. In den letzten Wochen ist sie immer schwächer geworden, und am Abend des Hochfestes der Geburt unseres Herrn ist das Lebenslicht dann ganz erloschen. Der Tod kam wie ein Freund, wie eine Erlösung. In der Weihnachtsstimmung sollen Sie Abschied nehmen von einem Menschen, der Ihnen so viel bedeutet hat. Frau Dr. Denzler hing an Ihrer Familie, ihren Töchtern, Enkeln und Urenkeln. Was kann man Schöneres und Tröstlicheres über einen Menschen sagen, von dem man Abschied nehmen muss, als dass er uns geliebt hat. Diese Liebe wird bleiben. Am Grab eines Menschen spüren wir, was in seinem Leben wichtig war. Die Verstorbenen helfen uns auch, das wirklich Wichtige in unserem eigenen Leben zu entdecken. Frau Dr. Denzler war ein tiefgläubiger, gewissenhafter und lebensfroher Mensch. Sie stand bis zum Ausbruch der Altersschwäche mitten im Leben und liebte es, selbständig zu sein, bejahte das Leben und freute sich ihres Lebens. Trotz der Schwierigkeiten des Ersten und Zweiten Weltkrieges, des Ablebens ihrer Tochter und weiterer Herausforderungen des Lebens, hat sie nie den Mut und Ehrgeiz verloren. Sehr stolz war sie darauf als erste Frau unter den Juristinnen, in Bayern, das Amt der Richterin ausgeübt zu haben. Auch sehr stolz war sie auf Ihre Enkelkinder und Urenkel. Wenn wir nun von ihr Abschied nehmen, tun wir es auch mit einem großen Gefühl der Dankbarkeit dafür, dass wir sie diesen liebenswürdigen Menschen so lange bei uns haben durften. Viele Menschen haben durch sie so viel Gutes erfahren, deswegen soll Verzweiflung und Trauer nicht das Letzte an ihrem Grab sein. Das würde ihrem Leben nicht gerecht werden. Erfahrene Güte muss nicht sterben, sondern kann durch uns neue Gestalt gewinnen. Bertas Lebenslicht ist erloschen. 104 Jahre hat Gott ihr zugemessen. Wir leben noch auf Erden und haben noch eine Aufgabe zu erfüllen. Wir können noch Lichter anzünden – und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Wir können selber Lichter sein und Güte und Wärme verbreiten. Wir können zusammenhalten und einander gut sein, solange uns Gott die Zeit dazu schenkt. Im Abschnitt vom Lukasevangelium hörten wir Simeons Abschiedsgebet. Frau Dr. Denzler war ein sehr gläubiger Mensch. Regelmäßig bat sie mich sie zu besuchen und ihr die Hl. Kommunion zu spenden. Gelegentlich verlas ich den Psalm 23 als Dankgebet. "Der Herr ist mein Hirt, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Meine Lebenskraft bringt er zurück. Er führt mich auf Pfaden der Gerechtigkeit, getreu seinem Namen. Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab, sie trösten mich. Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, übervoll ist mein Becher. Ja, Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang und heimkehren werde ich ins Haus des Herrn für lange Zeiten." Aufmerksam und tief berührt hörte Berta zu, sprach innerlich den Psalm, begleitet von sanften Tränen. Der Psalm 23 war der Lieblingspsalm ihrer an Krebs verstorbenen Tochter. Mit ihrem persönlichen Gebet legte sie ihren Tag in Gottes Hände. Das erinnert mich an das Abschiedsgebet des greisen Simeon. Jeden Abend betet die Kirche im Komplet (Nachtgebet im Stundengebet) den Lobpreis des Simeon im Tempel von Jerusalem. Mit ihm nimmt sie Abschied vom Tag. Mit dem Lob auf das »Licht zur Erleuchtung der Heiden« geht sie hinein in das Dunkel der Nacht. Mit dem großen Wort »Heil für alle Völker« umfängt sie alles Unheil, das es in unserer Welt gibt. Auch an schweren Tagen wagt sie zu singen, wie Simeon einst gesungen hat: »Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel« (Lk 2,29-32). An der Schwelle vom Tag zur Nacht steht kein Klagelied, sondern ein Lobpreis. Hoffentlich wird es auch an unserem letzten Tag so sein, an dem wir unser ganzes Leben dem zurückgeben, der es uns geschenkt hat. Frau Dr. Denzler hat diesen Schritt bereits getan. Es tut weh, wenn wir loslassen müssen, woran wir hängen. Wenn wir in diese Welt kommen, tut es weh. Wenn wir diese Welt verlassen, tut es weh. Aber jedes Mal ist es die Geburt zu einem neuen Leben. Pater Ante Ivan Rozic OFM |